"Immer läuft es darauf hinaus, dass man etwas, das man gern tun möchte, nicht tun kann."
"Ich will ein Leben."
"Ich will ein richtiges Leben, und gerade jetzt in diesem Augenblick fühlt es sich richtig an."
Die Sätze in diesem Buch sind wie Trittsteine, zwischen denen sich eine Frau in mittleren Jahren bewegt, die nach der Ursache für die Schmerzen sucht, die sie seit Jahren begleiten und immer mehr beeinträchtigen. Am Anfang ihrer Aufzeichnungen scheint sie ein angenehmes Leben zu führen. Sie hat einen gut bezahlten Job, einen liebevollen Mann, das Paar reist nach Italien und Frankreich, hat gute Freunde, die von den beiden kulinarisch köstlich bewirtet werden. Man führt intensive Gespräche über Bücher, Filme, Ausstellungen in der quirligen Hauptstadt Berlin. Alles könnte also gut sein, wären da nicht die Schmerzen.
Die Ich-Erzählerin verknüpft die Schilderungen ihrer Suche nach Heilung - die auch immer mehr zu einer Suche nach Zugehörigkeit in ihrer Familie wird - mit Rückblenden in eine Biografie, die in den fünfziger Jahren in Ostberlin beginnt und über die Auswanderung nach Westberlin 1981 bis in die heutige Bundeshauptstadt hineinreicht. In diese Verschränkung zweier wichtiger Phasen in der Entwicklung von Ost und West bis zur Einheit, die sich durch Fragmente aus der Vergangenheit der Eltern, Großeltern und weiterer Verwandter der Ich-Erzählerin entfaltet, flicht sie auch Auszüge aus den Biografien dieser Menschen während der Nazi-Zeit und des Zweiten Weltkriegs ein.
Das Verblüffende an diesem Buch ist: Dass es trotz oder gerade? - wegen der geschilderten körperlichen und psychischen Beschwerden zutiefst lebendig ist. Dass es einlädt zum Mitweinen und Mitlachen, zum Ärgern, Staunen und Stirnrunzeln. Die Autorin hat keine Patentlösungen oder Wunderheilungen anzubieten, und genau das macht den Text so bewegend und glaubhaft.